mangel nr. 30
Die HAFTUNG DER ABSCHLUSSPRÜFER ist kontraproduktiv.
Aus der gesetzlichen Vorbehaltstätigkeit (als einträglichem Geschäftsmodell und somit monetärem Segen) ist für den prüfenden Berufsstand in der jüngsten Vergangenheit (eben durch das starre Modell in Verbindung mit der gesetzlich garantierten Monopolstellung) der Fluch des stark erhöhten Haftungsrisikos (Tendenz: stark steigend!) erwachsen.
In der Vergangenheit war der Beruf des Wirtschaftsprüfers (USA: CPA) mit hohem Einkommen, hohem Prestige und dem Nimbus der writschaftlichen Kompetenz verbunden. Durch Lobbying (Einfluß auf die Gesetzgebung) sorgte der Berufsstand auch immer wieder für zukünftige lukrative Geschäftsmodelle (Stichwort: Steuerreformen und dadurch ausgelöste Rechtsformänderungen und -sparmodelle oder, in Österreich ganz besonders erwähnenswert, das "tote Recht" des URG - Unternehmensreorganisationsgesetz - welches in Wirklichkeit gar nicht so "tot" ist, sondern in Form der allseits beliebten "positiven Fortbestandsprognosen" dem Berufsstand ein einträgliches Zubrot beschert).
Durch diese umtriebigen Aktivitäten im normativen Bereich (Beeinflussung der Gesetzgebung für neue "Geschäftsmodelle") hat es der Berufsstand allerdings in der überwältigenden Mehrheit versäumt, sich verstärkt den Entwicklungen zuzwenden, welche für die Zukunft (ich meine, sogar für das zukünftige Überleben) dieses Berufsstandes wirklich notwendig sind: die Informationstechnologie sowie dievernetzte Ökonomie.
Das zugrundeliegende Denkomdell der Abschlußprüfung war und ist immer dokumentenzentriert(Belege, Buchungszeilen, Bilanzposten, Saldenbestätigungen, Verträge, ...). Genau so funktionieren Unternehmen aber heute nicht mehr! Unternehmen werden immer mehr nach prozessorientierten Modellen (und in Echtzeit) gelenkt und administriert.
Um diese Systeme und Ansätze (ihren Nutzen aber auch ihr Risikopotential) zu verstehen ist massives Informatikwissen gepaart mit ausgeprägter Menschenkenntnis (verhaltenstheoretische Grundlagen) notwendig. Genau dieses Wissen wird allerdings heute in den formalen Ausbildungsschienen für den Berufsstand nicht vemittelt - diejenigen (wenigen) Abschlußprüfer, welche über dieses Wissen heute verfügen, haben es sich entweder aus Interesse oder als Quereinsteiger in ihrem vorigen beruflichen "Leben" angeeignet. Die Fälle, in denen Abschlußprüfer bzw. ihre Mitarbeiter hilflos vor speziellen EDV-Systemen ihrer Klienten stehen und auf die Mithilfe dieser bei der Erhebung der erforderlichen Daten angewiesen sind, mehren sich und damit steigt natürlich auch das Risiko für den Prüfer. Man könnte also denken, ein höheres Haftungsrisiko sei ein probates Mittel um den Berufsstand mittelfristig zum Umlernen zu bewegen.
Weshalb bin ich nun aber dennoch der Meinung, dass die Haftung für Abschlußprüfer kontraproduktiv ist?
Ganz einfach: So lange Prüfer (CPAs) in normensetzenden Gremien einflußreich tätig sind (FASB, IASB oder aber auch mittels Lobbying in den diversen "Reformausschüssen" der nationalen Gesetzgebung) werden sie diesen (nach wie vor bestehenden!) Einfluß massiv dazu nutzen, ihr Haftungsrisiko zu beschränken - und diese Zielsetzung wird sich in sämtlichen internationalen Normen (US-GAAP, IFRS) bzw. nationalen Gesetzeswerken zu Lasten der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit bzw. des wirtschaftlichen Informationsgehalts wiederfinden! Tatsächlich ist dies z.B. der wesentliche Grund, weshalb die US-GAAP nach wie vor in der Mehrheit historische Anschaffungskosten (und nicht aktuelle Tageswerte) vorschreiben (weil dadurch die Haftung des Abschlußprüfers begrenzt wird - unbeschadet der ebenfalls bestehenden Fragwürdigkeit eines Tageswertes im Einzelbewertungsparadigma, siehe Mangel Nr. 19!). Entsprechende Belege dafür finden sich z.B. im Buch von Miller/Bahnson ("Quality Financial Reporting"). Gerd Gigerenzer bringt in seinem sehr empfehlenswerten Werk "Das Einmaleins der Skepsis - Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken" übrigens noch ein weiteres, spannendes Beispiel dafür, wie kontraproduktiv diese (dem Neid- und Rachedenken entspringende) Forderung nach Haftung sich erweisen kann, hier im Zusammenhang mit dem katastrophal hohen Anteil an falsch positiven Vorsorgeuntersuchungsergebnissen, also im medizinischen Bereich (S 160):
"Die zweite Antwort hat mit der Angst und auch mit dem Stolz der Ärzte und den damit verbundenen juristischen und finanziellen Anreizen zu tun. Am meisten fürchten sie ja, ein Karzinom zu übersehen, also die seelische Belastung, dass sie einen Tumor hätten entdecken können, aber die Chance nicht genutzt hatten. Ein derartiger Fehler kann zu einer gerichtlichen Klage führen, aber auch - was ebenso wichtig ist - die Reputation beschädigen. Andere Ärzte könnten ja davon erfahren. Wenn ein Arzt die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms fälschlich überbewertet, schützt er sich weitgehend vor einer Klage, denn dann wird ihm ja selten ein Karzinom entgehen. Gleichzeitig beschert dieses Vorgehen den Ärzten und Kliniken, die die Diagnose stellen bzw. die Therapie durchführen, einen höheren Umsatz."
Erkennen wir hier ein Muster wieder? Könnte man den Begriff "Arzt" hier auch durch "Abschlußprüfer", "Klinik" durch "Gutachter", "die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms fälschlich überbewertet" durch "wirtschaftlich sinnlose aber strenge und konservative Regeln verlangt und prüft" ersetzen? Ich denke, Ärzte wie Abschlußprüfer leiden hier unter demselben Problem: die Haftung für Dinge, die sich in Wahrheit ihrem Einflußbereich entziehen, nämlich die zukünftige Entwicklung (einer Krankheit, eines Unternehmens) vorherzusehen!
Nur durch die gänzliche Aufhebung der Haftung der Abschlussprüfer kann daher dieser "versteinernde Druck" vom Berufsstand genommen werden, der dazu führen könnte, dass sich dieserauch neueren, in der Anfangsphase natürlich ungewohnteren und damit zwangsläufig fehleranfälligeren, wenn auch ungleich informationsreicheren und nutzenstiftenderen,Berichterstattungsmodellen zuwenden kann!
Aus der gesetzlichen Vorbehaltstätigkeit (als einträglichem Geschäftsmodell und somit monetärem Segen) ist für den prüfenden Berufsstand in der jüngsten Vergangenheit (eben durch das starre Modell in Verbindung mit der gesetzlich garantierten Monopolstellung) der Fluch des stark erhöhten Haftungsrisikos (Tendenz: stark steigend!) erwachsen.
In der Vergangenheit war der Beruf des Wirtschaftsprüfers (USA: CPA) mit hohem Einkommen, hohem Prestige und dem Nimbus der writschaftlichen Kompetenz verbunden. Durch Lobbying (Einfluß auf die Gesetzgebung) sorgte der Berufsstand auch immer wieder für zukünftige lukrative Geschäftsmodelle (Stichwort: Steuerreformen und dadurch ausgelöste Rechtsformänderungen und -sparmodelle oder, in Österreich ganz besonders erwähnenswert, das "tote Recht" des URG - Unternehmensreorganisationsgesetz - welches in Wirklichkeit gar nicht so "tot" ist, sondern in Form der allseits beliebten "positiven Fortbestandsprognosen" dem Berufsstand ein einträgliches Zubrot beschert).
Durch diese umtriebigen Aktivitäten im normativen Bereich (Beeinflussung der Gesetzgebung für neue "Geschäftsmodelle") hat es der Berufsstand allerdings in der überwältigenden Mehrheit versäumt, sich verstärkt den Entwicklungen zuzwenden, welche für die Zukunft (ich meine, sogar für das zukünftige Überleben) dieses Berufsstandes wirklich notwendig sind: die Informationstechnologie sowie dievernetzte Ökonomie.
Das zugrundeliegende Denkomdell der Abschlußprüfung war und ist immer dokumentenzentriert(Belege, Buchungszeilen, Bilanzposten, Saldenbestätigungen, Verträge, ...). Genau so funktionieren Unternehmen aber heute nicht mehr! Unternehmen werden immer mehr nach prozessorientierten Modellen (und in Echtzeit) gelenkt und administriert.
Um diese Systeme und Ansätze (ihren Nutzen aber auch ihr Risikopotential) zu verstehen ist massives Informatikwissen gepaart mit ausgeprägter Menschenkenntnis (verhaltenstheoretische Grundlagen) notwendig. Genau dieses Wissen wird allerdings heute in den formalen Ausbildungsschienen für den Berufsstand nicht vemittelt - diejenigen (wenigen) Abschlußprüfer, welche über dieses Wissen heute verfügen, haben es sich entweder aus Interesse oder als Quereinsteiger in ihrem vorigen beruflichen "Leben" angeeignet. Die Fälle, in denen Abschlußprüfer bzw. ihre Mitarbeiter hilflos vor speziellen EDV-Systemen ihrer Klienten stehen und auf die Mithilfe dieser bei der Erhebung der erforderlichen Daten angewiesen sind, mehren sich und damit steigt natürlich auch das Risiko für den Prüfer. Man könnte also denken, ein höheres Haftungsrisiko sei ein probates Mittel um den Berufsstand mittelfristig zum Umlernen zu bewegen.
Weshalb bin ich nun aber dennoch der Meinung, dass die Haftung für Abschlußprüfer kontraproduktiv ist?
Ganz einfach: So lange Prüfer (CPAs) in normensetzenden Gremien einflußreich tätig sind (FASB, IASB oder aber auch mittels Lobbying in den diversen "Reformausschüssen" der nationalen Gesetzgebung) werden sie diesen (nach wie vor bestehenden!) Einfluß massiv dazu nutzen, ihr Haftungsrisiko zu beschränken - und diese Zielsetzung wird sich in sämtlichen internationalen Normen (US-GAAP, IFRS) bzw. nationalen Gesetzeswerken zu Lasten der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit bzw. des wirtschaftlichen Informationsgehalts wiederfinden! Tatsächlich ist dies z.B. der wesentliche Grund, weshalb die US-GAAP nach wie vor in der Mehrheit historische Anschaffungskosten (und nicht aktuelle Tageswerte) vorschreiben (weil dadurch die Haftung des Abschlußprüfers begrenzt wird - unbeschadet der ebenfalls bestehenden Fragwürdigkeit eines Tageswertes im Einzelbewertungsparadigma, siehe Mangel Nr. 19!). Entsprechende Belege dafür finden sich z.B. im Buch von Miller/Bahnson ("Quality Financial Reporting"). Gerd Gigerenzer bringt in seinem sehr empfehlenswerten Werk "Das Einmaleins der Skepsis - Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken" übrigens noch ein weiteres, spannendes Beispiel dafür, wie kontraproduktiv diese (dem Neid- und Rachedenken entspringende) Forderung nach Haftung sich erweisen kann, hier im Zusammenhang mit dem katastrophal hohen Anteil an falsch positiven Vorsorgeuntersuchungsergebnissen, also im medizinischen Bereich (S 160):
"Die zweite Antwort hat mit der Angst und auch mit dem Stolz der Ärzte und den damit verbundenen juristischen und finanziellen Anreizen zu tun. Am meisten fürchten sie ja, ein Karzinom zu übersehen, also die seelische Belastung, dass sie einen Tumor hätten entdecken können, aber die Chance nicht genutzt hatten. Ein derartiger Fehler kann zu einer gerichtlichen Klage führen, aber auch - was ebenso wichtig ist - die Reputation beschädigen. Andere Ärzte könnten ja davon erfahren. Wenn ein Arzt die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms fälschlich überbewertet, schützt er sich weitgehend vor einer Klage, denn dann wird ihm ja selten ein Karzinom entgehen. Gleichzeitig beschert dieses Vorgehen den Ärzten und Kliniken, die die Diagnose stellen bzw. die Therapie durchführen, einen höheren Umsatz."
Erkennen wir hier ein Muster wieder? Könnte man den Begriff "Arzt" hier auch durch "Abschlußprüfer", "Klinik" durch "Gutachter", "die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoms fälschlich überbewertet" durch "wirtschaftlich sinnlose aber strenge und konservative Regeln verlangt und prüft" ersetzen? Ich denke, Ärzte wie Abschlußprüfer leiden hier unter demselben Problem: die Haftung für Dinge, die sich in Wahrheit ihrem Einflußbereich entziehen, nämlich die zukünftige Entwicklung (einer Krankheit, eines Unternehmens) vorherzusehen!
Nur durch die gänzliche Aufhebung der Haftung der Abschlussprüfer kann daher dieser "versteinernde Druck" vom Berufsstand genommen werden, der dazu führen könnte, dass sich dieserauch neueren, in der Anfangsphase natürlich ungewohnteren und damit zwangsläufig fehleranfälligeren, wenn auch ungleich informationsreicheren und nutzenstiftenderen,Berichterstattungsmodellen zuwenden kann!